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Von Herwig G. Höller.

Von Retrograd bis Radikal"

Die Kunstszene in Moskau mit Tipps und Adressen im Anhang.

Von Retrograd bis radikal

In den frühen Neunzigern rannten sie als nackte Kettenhunde durch Moskaus Straßen, „entweihten“ gar den Roten Platz mit einer Schimpfwortaktion, forderten den Präsidenten zum Boxkampf heraus. Der „Moskauer Aktionismus“ faszinierte und polarisierte keinesfalls nur die Kunstwelt, sondern verstörte auch die russische Öffentlichkeit. Medien, die umfangreich berichteten, wussten in einer Zeit der Umwertung vieler Werte nicht so wirklich, womit sie es zu tun hatten: Politik oder Kunst, wichtig oder gesellschaftlich völlig irrelevant? Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert, der Aktionismus der wilden Jahre ist vorbei, und im Laufe des letzten Jahrzehnts entwickelte sich in der russischen Metropole – trotz mancher Widrigkeiten – eine zunehmend vitale wie vielfältige Kunstszene, die sich sehen lassen kann. Und gezeigt werden sollte.

Stalin, Dolce & Gabbana
Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende der Sowjetunion geht der Abbruch, Umbau und Neuaufbau der Stadt munter weiter. Gerade im Zentrum Moskaus mit zunehmender Intensität: Seit 1997 eine gigantomanische unterirdische Shoppingmall unter dem Manegenplatz in Wurfweite der Kremlmauer errichtet wurde, kommen in diesem zentralen Viertel der russischen Hauptstadt Bulldozer wie Bauarbeiter nicht mehr zur Ruhe. Gegenüber ziert eine große Baugrube die Stelle, an der kürzlich noch das Hotel Intourist, ein funktionalistischer Bau der 60er-Jahre, in die Höhe ragte. Nebenan ist das stalinistische Hotel Moskva aus den 30er-Jahren mit seinen zwei unterschiedlichen Fassaden (der Legende zufolge, weil Stalin zwei Entwürfe guthieß) im Abbruch begriffen. Und die eigentliche „Manege“, eine Ausstellungshalle aus dem frühen 19. Jahrhundert, brannte kürzlich ab. Kolportierten Gerüchten in der Moskauer Presse zufolge wurde „warm abgetragen“, wodurch die Errichtung einer Tiefgarage unter der bis auf die Grundmauern abgebrannten Halle durch einen österreichischen Investor billiger geworden sei. Aber auch einen Block weiter, in unmittelbarer Nähe der Geheimdienstzentrale Ljubjanka, lassen sich Veränderungen beobachten. Eine zuvor unscheinbare Gasse, der Tretjakovskij proezd, avancierte seit 2002 zur schicksten Boutiquenmeile der Stadt, mit Bentley, Chopard, Dolce & Gabbana usw. Einer der raren Ruhepole inmitten hektischer Geschäftigkeit: das überlebensgroße Granitdenkmal für Karl Marx am (erstaunlicherweise noch immer so genannten) Platz der Revolution, das die Proletarier aller Länder nach wie vor – und derzeit eher erfolglos – auffordert, sich zu vereinigen.Dennoch, das Sein bestimmt das Bewusstsein, wenn auch auf komplexe Weise. Die Entwicklungen in der Moskauer Kunst lassen sich von den äußerst dynamischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten anderthalb Jahrzehnte nicht entkoppeln. Obschon zu den beschriebenen Umwälzungen im Stadtzentrum direkte Bezüge eher selten sind: Der Architekturfotograf Jurij Palmin plante im Frühjahr 2004 eine Fotoserie, welche die von abgerissenen Meisterwerken der sowjetischen Architektur zurückgelassene Lücke dokumentieren sollte. Und der Medienkünstler Aristarch âerny‰ev verdingte sich in den späten 90ern als Flash-Programmierer für die Homepage des „Handelskomplexes“ unter dem Manegenplatz. Wichtiger hingegen: Die abstoßend überdimensionalen Märchenfiguren am Manegenplatz, die nach dessen Umgestaltung 1997 ebendort aufgestellt wurden, stammen vom Lieblingskünstler des Moskauer Bürgermeisters Jurij LuÏkov, dem „Monumentalisten“ Zurab Cereteli.


Retrograde Kulturpolitik
Die immense Rolle, die der 70-jährige Cereteli im offiziösen Politdiskurs spielt, kann dabei in mehrfacher Hinsicht als bezeichnend für die kulturpolitischen Tendenzen im postsowjetischen Moskau gelten. Im vergangenen Jahrzehnt von Luz¡kov mit höchstdotierten öffentlichen Aufträgen versehen, darunter die mehrere hundert Millionen Dollar schwere künstlerische Gestaltung der neu erbauten Erlöserkathedrale und die Errichtung gigantischer Denkmäler im öffentlichen Raum („Peter der Große“ oder Skulpturen im „Park des Sieges“), fungiert Cereteli zusätzlich als Museumsdirektor seines eigenen und einzigen Moskauer Museums zeitgenössischer Kunst und amtiert als Präsident der Russischen Akademie der Künste.


„Zeitgenössisch“ versus „aktuell“
Viele dieser einschlägigen Moskauer Institutionen erweisen sich als erstaunlich rückwärts gewandt. Die erwähnte Russische Akademie der Künste scheint ihre Funktion eher in der Ausstaffierung der „nationalen Wiedergeburt“ zu sehen, und das staatliche Surikov-Institut orientiert sich in seiner Kunstausbildung vor allem am 19. Jahrhundert. Abgesehen von improvisierten Bildungsprojekten wie dem „Institut der Probleme zeitgenössischer Kunst“ fehlen akademische Bildungseinrichtungen, in denen Kunst auf der Höhe der Zeit unterrichtet wird, praktisch völlig. Und da der Begriff „zeitgenössische Kunst“ als zu unspezifisch empfunden wurde, auch Cereteli und einschlägigen Kollegen wie dem nationalistischen Historienmaler Il'ja Glazunov oder dem Porträtisten Aleksandr Silov Zeitgenossentum formal nicht abzusprechen ist, verwendeten weite Teile der avancierten Moskauer Kunstszene das Englische „contemporary art“ oder „aktuelle Kunst“, um sich abzugrenzen und zu verdeutlichen, dass sie sich in einem internationalen Kontext begreifen.


Private Galerien
Dennoch, trotz relativ schwacher institutioneller Unterstützung, improvisierter Kunstausbildung und kulturpolitischen Gegenwinds lassen sich die Entwicklungen der letzten Jahre in der „aktuellen“ Moskauer Kunstszene vor allem als eine Normalisierung, eine langsame Annäherung an internationale Praktiken sehen. Nach einem Durchhänger in den späten 90er-Jahren war zuletzt auch wieder Lebendigkeit zu verspüren, was eine wachsende Galerienlandschaft mit beträchtlicher Bandbreite illustriert: von der seit den frühen 90ern tätigen und äußerst mobilen Galerie Pal'to (Mantel) – Galerist und Künstler Aleksandr Petrelli bietet kleinformatige Moskauer Kunst an der Innenseite seines Mantels an – bis zur Stella Art Gallery. Im November 2003 eröffnet, spezialisiert sich die im positiven Sinne postneurussische Galerie auf amerikanische Pop-Art und verkauft dem Vernehmen nach auch prächtig Werke von Warhol bis Basquiat in der Kategorie 100.000 Dollar plus. Ein Moskauer Privatgalerien-Unikum: Stella Art verlangt 30 Rubel Eintritt.Auch zwischen diesen beiden Polen existiert viel Raum für Dynamik: Die neurussische Galerie RidÏina, in der radikale Moskauer Künstler wie Oleg Kulik und Anatolij Osmolovskij in den frühen 90ern lebende Wildtiere loslassen durften, eröffnete nach mehrjähriger Schließung im Zentrum Moskaus erneut. Kulik ist RidÏina treu geblieben, anstelle schockierender Aktionskunst stellt er nun markttauglichere Fotomontagen aus. Ebenfalls bei Ridz¡ina zu sehen sind die häufig inszenierten, teils radikal-schicken Fotografien Sergej Bratkovs, der 2003 auf der Biennale in Venedig im russischen Pavillon vertreten war. Die mittlerweile traditionellen Galerien Ajdan und XL feierten im Juli 2002 bzw. Dezember 2003 ihre jeweiligen 10-Jahres-Jubiläen, nachdem sie bereits zentralere und größere Locations bezogen hatten. Und während sich Ajdan eher elitär und marktorientiert positioniert, vor allem zumindest theoretisch verkaufbare Fotografien und Gemälde ausstellte, zeichnete sich XL durch eine Kombination von etablierten und jüngeren Künstlern aus: Neben Arbeiten etablierter KünstlerInnen wie Dubosarskij/Vinogradov, Oleg Kulik, Vladislav Mamysev-Monroe, Ajdan Salachova oder Konstantin Zvezdocetov konzentrierte sich XL auch stark auf eine nächste Generation. Wiederholt waren Personalen von jüngeren KünstlerInnen wie etwa Irina Korina zu sehen. Aber auch von einer weiteren für Moskauer Verhältnisse altgedienten Galerie sind wieder verstärkt Aktivitäten zu erwarten. Nach einem kritisch beäugten Ausflug in die große Politik, als eine Art putinscher Politkommissar im staatlichen Fernsehsender Pervyj kanal (Erster Kanal), wurde Marat Gel'man Ende vergangenen Jahres, so der Anschein, von ebendort gegangen und will sich nun wieder verstärkt um seine Galerie Gel'man (in der englischen Schreibweise Guelman) kümmern. Zuletzt organisierte die Galerie im Dezember 2003 eine groß angelegte Schau elektronischer Kunst. Neben der regulären Ausstellungstätigkeit will man, abgesehen vom Moskauer Pflichttermin, der zunehmend professionalisierten „Art Moskva“ im Mai, vermehrt an internationalen Kunstmessen teilnehmen – wie dies auch Ajdan und XL tun.

Öffentliche Institutionen
Während sich der private Galeriensektor in letzter Zeit positiv entwickelte, lassen staatliche bzw. städtische Ausstellungsräume tendenziell eher zu wünschen übrig. Die Tretjakov-Galerie (GTG) zeigt zeitgenössische (und auch „aktuelle“) Kunst in einem über den Hintereingang zu erreichenden Teil des Zentralen Hauses des Künstlers (CDCh), was durchaus als Abschiebung interpretiert werden könnte. Der große Ausstellungsraum des Staatlichen Zentrums für zeitgenössische Kunst (GCSI) ist leider auch einige Monate nach der angekündigten Eröffnung weiterhin Baustelle, dennoch gibt es hier Anlass zur Hoffnung. Erfreuliche Ausnahme: das Moskauer Haus der Fotografie (MDF), das seit Jahren eine konsequent-beachtliche Ausstellungspolitik fährt und ein breites Spektrum von sowjetischer Klassik über zeitgenössische russische Fotografie bis zu Internationalem zeigt. Zuletzt organisierte man nach dem Vorbild des Pariser Fotomonats die Moskauer „Foto Biennale 2004“.

Komplexität als Zeichen der Normalisierung

Im Zuge der angesprochenen Normalisierung der „aktuellen“ Moskauer Kunst fällt es allerdings in einer zunehmend komplexen künstlerischen Landschaft schwer, von allgemeineren Tendenzen innerhalb der Szene zu sprechen. Ein Jahrzehnt zuvor war dies noch weitaus einfacher gewesen: Sehr grob vereinfacht waren damals junge „Konzeptualisten“ wie die Gruppe „Medgermenevtika“, Dmitrij Prigov - Kunststar Il'ja Kabakov war seinerzeit bereits emigriert – und „radikale Aktionisten“ wie Aleksandr Brener, Oleg Kulik und Anatolij Osmolovskij einander gegenübergestanden bzw. hatten einander gar bekämpft. Etwa in Form der Zerstörung Prigov'scher Werke durch Brener. Auch wenn viele der Adepten der Kunst der frühen 90er-Jahre noch immer künstlerisch aktiv sind, wäre, auf die heutige Situation bezogen, eine derartige Vereinfachung nicht mehr zulässig. Die Komplexität der Szene hat im letzten Jahrzehnt deutlich zugenommen. Kollektive Schaffensformen haben in Russland Tradition: Nicht nur die „nonkonformistische“ Kunst der 70er- und 80er-Jahre war von Gruppen wie Komar/Melamid, „Kollektivnye dejstvija“ („Kollektive Aktionen“) oder „Muchomor“ („Pilz“) geprägt, auch während der gesellschaftlichen wie künstlerischen Aufbruchszeit der späten 80er/ frühen 90er waren wichtige Gruppen wie „AES“, Dubosarskij/Vinogradov oder „Medgermenevtika“ („Medizinische Hermeneutik“) gegründet worden. Eine neuerliche Gründerzeit bzw. Reaktivierung künstlerischer Kollektive, die sich in den letzten Jahren beobachten ließ, kann als Beleg für eine aktuelle Lebendigkeit der Moskauer Kunstszene gelten. Die „Gruppa leto“ („Gruppe Sommer“) organisierte im Moskauer Sommer kollektive Aktionen, zuletzt 2003 ein kleines Videofestival im öffentlichen Raum; „Sinij sup“ („Blaue Suppe“) schafft gemeinsam Videokunst; die Gruppe „ABC“ tritt als smarte Firma auf, die in ihren Installationen Ausgrabungen künftiger Archäologen vorwegnimmt. Andere Gruppen richten sich hingegen sehr politisch aus – Karl Marx vom Platz der Revolution lässt grüßen: „Programma Escape“ und „Radek“ stehen etwa in der Tradition der radikalen Kunst der frühen 90er, das „Institut Lifsic“ beschäftigt sich künstlerisch wie theoretisch mit dem Werk des marxistischen Kunsttheoretikers Michail Aleksandroviã Lifsic (1905-1983).

Künstler = Kuratoren
Im Zusammenhang mit starken Kollektiven lässt sich auch eine weitere Tendenz beobachten: KünstlerInnen kuratieren zunehmend selbst. Wobei sich diese Entwicklung u. a. als eine überfällige Emanzipation von KünstlerInnen und auch als Kritik an und Unzufriedenheit mit den wenigen Moskauer „GroßkuratorInnen“ sehen lässt: Diese würden sich, so ein manchmal geäußerter Vorwurf, zu sehr auf gut bezahlte Prestigeprojekte im Ausland konzentrieren. Gruppen wie „Programma Escape“ und „Radek“ betreiben eigene Off-Spaces: Galerie Escape bzw. Francija (Frankreich). Aber nicht nur Gruppen, auch Einzelkünstler werden aktiv. Der Aktionskünstler Imperator Vava kuratierte kürzlich im Zverev-Zentrum eine Ausstellung, in der zuvor nie ausgestellte oder untypische Werke bekannter Moskauer KünstlerInnen präsentiert wurden. Das bekannteste Beispiel für einen Moskauer Künstler, der auch als Kurator auftritt, dürfte derzeit Vladimir Dubosarskij sein. Der am internationalen Kunstmarkt (im Duo mit Aleksandr Vinogradov) erfolgreiche Maler organisiert als „Kommissär“ seit 2002 ein zunehmend beachtetes Sommerfestival im Moskauer Umland. Das nach einem kleinen Fluss benannte „Artkljazma“ wird von einem vermögenden Kunstsammler finanziert, auf dessen pittoreskem Grundstück das Festival stattfindet. Wie die Kataloge eindrucksvoll illustrieren, kann sich die Bilanz bisher sehen lassen. Ein breites Spektrum der Moskauer Kunstszene war 2002 und 2003 präsent, unter freiem Sommerhimmel waren insbesondere Projekte zu sehen, die eigens und „site specific“ produziert worden waren. Fortsetzung folgt zwischen 10. und 12. September 2004.

Alternative Sight Seeing
von Herwig G. Höller

Kreml
Das Zentrum: Venedikt Erofeev sah in seiner legendären „Reise (von Moskau) nach Petuschki“ den Kreml kein einziges Mal, obwohl er Moskau tausende Male – besoffen oder verkatert – durchquert hatte. Dennoch, das Kreml-Museum gilt als sehenswert, Leiterin ist Kosmonauten-Tochter Elena Gagarina.
METRO Biblioteka im. Lenina, www.kreml.ru

Metro
Komsomolskaja Soviet Underground: An der Oberfläche wurden Kirchen gesprengt, darunter neue sozialistische Tempel errichtet. Aufwändigst. Etwa die Station Komsomolskaja-kol’cevaja (1952) mit beeindruckenden Mosaiken von Pavel Korin zur heldenhaften russischen Kriegsgeschichte.
www.metro.ru

IPSI
Der Geist des konzeptualistischen Großmeisters: Vor mittlerweile 15 Jahren hat Il’ja Kabakov Moskau verlassen. Das geräumige Atelier, ein Kabakov-Privileg aus Sowjetzeiten, beherbergt das „Institut der Probleme zeitgenössischer Kunst“, eine der raren Moskauer Institutionen, in der „aktuelle“ Kunst unterrichtet wird.
METRO Cistye prudy, Sretenskij bul’var 6/1

Francija
Artist run space: Neosituationistisches der Radek Community von und mit Petr Bystrov, Maksim Karakulov, David Ter-Oganjan und anderen.
METRO Baumanskaja, ul. Ol’chovskaja 33/1, www.gif.ru/people/radek/

Falanster
Literatur, radikal: Buchhandlung mit wenig Schick und viel Radikalität. Der richtige Ort, um mit intellektuellen Jung- wie Linksoppositionellen über Marx und Putin zu diskutieren.
METRO Puskinskaja Bol’soj, Malyj Gnezdnikovskij Pereulok d. 12/27

Chaze
Das Zentralorgan der Moskauer Kunstszene: Seit 1993 erscheint das „Chudosestvennyj Zurnal“ („Kunstzeitschrift“) 2- bis 3-mal jährlich und hat die Kunst entscheidend mitgeprägt. Ein Besuch in der Redaktion und ein theoretischer Diskurs mit dem polyglotten Chefredakteur Viktor Miziano gehören dazu.
METRO Puskinskaja Bol’soj, Palazevskij per. 9/1, www.guelman.ru/xz

Klub na Brestkoj
Auch wenn der kulturelle Höhepunkt der Klubkultur schon vor Jahren überschritten wurde, entstehen neue Orte à la KB.
METRO Majakovskaja 2-ja, Brestskaja ul. 6

GTG/CDCh
Die Filiale der staatlichen Tretjakov-Galerie wirkt ob ihrer Location im „Zentralen Haus des Künstlers“ nicht wirklich attraktiv, dennoch laufen beachtenswerte Ausstellungen, Performances oder Diskussionen.
METRO Park kultury, Krymski val 10, www.tretyakovgallery.ru/russian/project/modernartclub/

MDF
Das erste russische Fotografie-Museum zeigt seit 1996 konsequent Fotokunst zwischen sowjetischer Klassik und neurussischen Tendenzen, aber auch sehr viel Internationales.
METRO Kropotkinskaja, ul. Ostozenka 16, www.mdf.ru

Ajdan
Die von der Künstlerin Ajdan Salachova 1992 gegründete Galerie zählt zu den ersten Adressen für zeitgenössische Kunst und verfügt über gute Verbindungen zum Establishment: Ajdans Papa, der Maler Tair Salachov, war Sekretär des sowjetischen Künstlerverbandes, Monumentalist Cereteli oder Putin-Berater Jastrzemskij geben sich so manche Ausstellungseröffnung.
METRO Majakovskaja 1-ja, Tverskaja-Jamskaja ul. 22, www.aidan-gallery.ru

Guelman
Potenziell Aufsehenerregendes: Politkunst mit Hang zum Radikalen ist die Spezialität von Galerist Marat Guelman, der sich nach einem Ausflug in die Politik wieder um seine Kunst kümmern möchte.
METRO Poljanka, Malaja Poljanka 7/7, www.guelman.ru/gallery/moscow

Regina/Ridzina
In den frühen Neunzigern konnten hier radikale Künstler die Sau raus- bzw. anderen Wildtiere reinlassen. Nach mehrjähriger Schließung wieder ein aktueller Kunstort, die wildesten Zeiten sind allerdings vorbei.
METRO Majakovskaja 1-ja, Tverskaja-Jamskaja ul. 22, www.regina.ru

XL
Zehn Jahre alt und erst seit dem Umzug in die neue Location 2001 (bedingt) XL, blieb XL zentraler Galerienort der russischen Metropole, mit Ausstellungen etablierter wie nichtetablierter „aktueller“ Kunst.
METRO Turgenevskaja, Podkolokolnij per. 16/2, www.xlgallery.ru

GSSI-NSSA
Koordinationsstelle für internationalen Ausstellungsbetrieb, aber auch avancierte Ausstellungstätigkeit im Dachgeschoß. Alle warten auf die überfällige Eröffnung der neuen großen Ausstellungshalle.
METRO Barrikadnaja, Zoologiceskaja 13, www.ncca.ru

Stella
Postneurussisch: Erstmals in der jüngeren Moskauer Galeriengeschichte zeigt und verkauft die Stella Art Gallery amerikanische Pop-Art wie Basquiat, Katz, Warhol. 30 Rubel Eintritt.
METRO Barrikadnaja, Skarjatinskij per. 7, www.stella-art.ru

Ad Marginem/Shakespeare & Co
Derrida was here: Zentraler Kunst- und Philosophiediskursort der frühen Neunziger, ist die Verlagsbuchhandlung „Ad Marginem“ im neuen Jahrtausend ein wenig verstaubt. Dennoch, seit dem Vladimir-Sorokin-vs.-Putinjugend- Skandal und anderen Coups ist der Verlag von Aleksandr Ivanov wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, Sorokin und andere Größen geben sich hier die Klinke in die Hand.
METRO Paveleckaja, 1-yj Novokuzneckij per. 5/7, www.ad-marginem.ru

PirOGI
Essen und Bücher im Keller: Ein Spezifikum des Moskauer Immobilienmarktes macht es möglich, Kellermieten kosten nur Kopeken. Im Underground der superschicken/superteuren Boutiquenmeile Tretjakovskij proezd finden sich eine OGI-Filiale, will heißen Intellektuellen- Buchhandlung, Konzertkeller und Restaurant zu demokratischen Preisen.
METRO Ljubjanka, Nikolskaja ul. 19/21

Ljudi kak Ljudi
Immer mehr nette Cafés, in denen zunehmend „Menschen wie Menschen“ („Ljudi kak ljudi“) behandelt werden, geben Hoffnung für Russland.
METRO Kitaj gorod, Soljanskij per. 1/4


Essen, ausgehen und ausschlafen

Bars/Restaurants

Café Puschkin
Ein trotz klassisch russisch aussehender Innenarchitektur relativ neues Café und Restaurant, selbst das Gebäude wurde erst vor wenigen Jahren errichtet. Russische Popstars schlürfen hier ihren Kaffee, Schriftsteller Vladimir Sorokin genießt die russische Küche des 19. Jahrhunderts.
METRO Tverskaja, Tverskoj bulvar 26a

Ziguli
Gestaltet vom bekannten Petersburger Designer Aleksej Haas, lässt diese kultige Bierbar sowjetische Ästhetiken hochleben. Der Name rührt von einem weit verbreiteten fahrbaren Untersatz sowjetischer Bauart her, welcher am westlichen Markt ob potenzieller Unaussprechlichkeit stets „Lada“ genannt wurde.
METRO Arbatskaja, Novij Arbat 11

Petrovic
Ein postsowjetischer Klassiker, benannt nach der gleichnamigen wie beliebten Cartoonfigur, die seit Jahren in der Zeitung „Kommersant“ den politischen Alltag kommentiert. Starcartoonist Andrej Bil’zo ist regelmäßig anzutreffen. Sowjetische Küche und eher nur „offiziell“ für Klubmitglieder.
METRO Cistye prudy, Mjasnickaja 24/7 www.petrovich.ru/club

Café des Artistes

In unmittelbarer Nachbarschaft des Moskauer Cechov-Theaters gelegenes Restaurant, das von einem Schweizer Chef geleitet wird. Vernissagen von schicken Fotoausstellungen im ersten Stock versammeln regelmäßig das künstlerische Tout-Moscou.
METRO Ochotnij rjad, Kamergerskij pereulok 5/6 www.artistico.ru

Sapporo
Eines der ältesten, größten und teuersten japanischen Restaurants der russischen Hauptstadt. Gilt aber auch als eines der besten.
METRO Sucharevskaja, Prospekt mira 14

MuCha
Von „Honegger küsst-Bresnev“-Maler Dmitrij Vrubel eindrucksvoll designtes Klubrestaurant, in dem sich gut essen lässt, aber auch kulturelle Events wie Ausstellungen und Konzerte stattfinden.
METRO Arbatskaja, Bol. Kislovskij pereulok 4/2


Hotels

Izmajlovo Gamma-Delta
In einer Stadt, die vor allem ob hoher Hotelpreise in internationalen Studien immer wieder zu den teuersten Metropolen der Welt gezählt wird, gehört der Izmajlovo- Hotelkomplex zu den leistbaren bis günstigen Übernachtungsorten. Nebenan: der eher touristisch veranlagte Großflohmarkt.
METRO Izmajlovskoje, Izmajlovskoe Sose 71, k. 4, www.izmailovo.ru

Kosmos
Eine architektonische Sehenswürdigkeit, die wie viele Moskauer Großhotels für die Olympischen Spiele 1980 erbaut wurde. Mit Blick auf den Weltraumobelisken aus dem Jahr 1964 und ein Kosmosmuseum, in unmittelbarer Nähe der „Arbeiter und Bäuerin“-Großskulptur von Vera Muchina, welche allerdings derzeit renoviert wird.
METRO VDNCh, Prospekt mira 150, www.hotelcosmos.ru

Nacional
Seit etwa hundert Jahren das erste Haus am Manegenplatz, im absoluten Zentrum Moskaus und mit 5 Sternen.
METRO Ochotnij rjad, Mochovaja 15/1, www.national.ru





HERWIG G. HÖLLER. Kritiker, Kulturwissenschafter, Slawist. Lebt und arbeitet in Graz.


Text erschienen in Spike ART Quarterly 2004